Stabil, aber rendite-schwach

Was zeichnet den Wiener Hotelmarkt aus?

Herbert Mascha: Der Wiener Hotelmarkt ist stark Tourismus-getrieben. Das Business-Segment ist weniger stark ausgeprägt als das Leisure-Segment. Dennoch ist Wien eine der europäischen Top-Städte, was die Ausrichtung von Konferenzen, Kongressen und Tagungen anbelangt.

Michael Widmann: Wien ist in Europa der stabilste Hotelmarkt – weltweit ist noch Singapur stabil. In beiden Städten gibt es die geringsten Schwankungen hinsichtlich Preis und Belegung. Historisch hatte Wien immer ein hohes Belegungs-, aber ein niedriges Preisniveau.

Ist das auch heute noch so? Wie hat sich der Wiener Hotelmarkt in den letzten Jahren entwickelt?

Widmann: Prinzipiell positiv. Die Preise stiegen in den letzten zehn Jahren etwas, fielen allerdings 2013 auch wieder  etwas. Ähnlich die Belegung. Trotzdem hat Wien immer noch eine der höchsten Belegungsraten in Europa, obwohl die Kapazitäten deutlich gewachsen sind. Die Nachfragesteigerung ist massiv. In den letzten 15 Jahren haben sich die Übernachtungszahlen verdreifacht. Daher konnte die Stadt den Kapazitätszuwachs im Hotelsegment absorbieren.

Mascha: Auffallend war, dass sehr viele unterschiedliche Produkte nach Wien gekommen sind. Und auffallend auch, dass sich die Hotellandschaft deutlich verjüngt hat. War Wien vor einigen Jahren noch für klassische Häuser in der Tradition der Grandhotels bekannt, kommen nun mehr Budget- und Lifestyleorientierte Häuser auf den Markt.

Was waren die spannendsten Hoteleröffnungen?

Mascha: Im Luxussegment haben das Kempinski Palais Hansen und das Ritz Carlton die Branche stark angefeuert. Diesen Trend wird das Park Hyatt Vienna fortsetzen. Das ist eines der tollsten Projekte in ganz Europa. Aber auch das Meliá in der DonauCity gefällt mir sehr gut. Weitere interessante Eröffnungen: das 25hours, Sans Souci, die Boutique-Hotels, die in letzter Zeit verstärkt eröffnen.

Widmann: Eines der interessantesten Produkte für mich ist Hollmann Beletage – ein Kleinod mit viel Charme. Ebenfalls sehr geschmackvoll: „The Guesthouse“. Und eine der wichtigsten Entwicklungen der letzten Jahre war für mich das Wombats am Naschmarkt.

Welche Schwächen hat der Wiener Markt?

Widmann: Im Gegensatz zu München hat Wien keine regelmäßigen Großveranstaltungen, die die Zimmer zu Höchstpreisen füllen. Kein Oktoberfest, keine Expo Real – Wien ist keine Messestadt. Es gibt den Opernball, aber der dauert nur einen Abend und hat nicht diese Besucherfrequenz. Was Geld in die Stadt bringt, sind die internationalen Kongresse, allen voran Ärztekongresse. Eine weitere Schwäche: Nach wie vor haben wir ein eklatantes Unterangebot im Lifestyle- und Budgetsegment – vor allem in der Mischung aus beidem.

Mascha: Wir haben zudem sehr viele nicht gebrandete Hotels auf dem Markt, die stark in die Jahre gekommen sind. Hier steht angesichts des Drucks vonseiten neuer „privater“ und neuer Kettenhotels eine Marktbereinigung an. Was aber ebenfalls anstünde, ist ein Flughafenausbau, denn derzeit besteht bei (Direkt-)Anbindungen an internationale Destinationen wie etwa Golf- oder asiatische Regionen, Verbesserungspotenzial.

Widmann: Ja, der Wiener Flughafen hat nur zwei Start- und Landebahnen, die sich kreuzen und nicht parallel genutzt werden können. Auf der anderen Seite bringen Stay-over-Gäste Geschäft. Viele Ost-Europäer fliegen über Wien und bleiben ein oder zwei Nächte, um die Stadt zu besichtigen. Insgesamt ist die Nachfragestruktur ausgeglichen: Unter der Woche ist Wien voll Business- und MICE-Gästen, am Wochenende voll von Städtereisenden. Sonntag auf Montag ist die einzige schwache Nacht. Im Frühjahr und Herbst sind die Konferenzen, im Sommer kommen die Städtetouristen, ab Mitte November die Besucher der Weihnachtsmärkte. Es gibt also auch nur zwei schlechte Monate: Januar und Februar. Ansonsten erreichen die meisten gut geführten Häuser eine Auslastung von 80 Prozent plus.

Das lockt auch Investoren an.

Mascha: Ein stabiler Markt ist natürlich für Investoren interessant. Allerdings sind die Renditen dank der vielen Leisuregäste nicht atemberaubend: Touristen bringen zwar Auslastung, zahlen aber keine hohen Preise.

Widmann: Man überschätzt aber auch die Bedeutung dieser Kennzahlen. Oft haben die erzielbaren Preise für andere Immobilienarten mehr mit der Hotelmarktentwicklung zu tun als die Ergebnisse der Hotels. In München ist die Hotelperformance ähnlich gut wie in Wien – trotzdem wurden dort in der Vergangenheit oft Hotelprojekte nicht realisiert, weil man mit Büro- oder Wohnungsmieten kalkuliert, die nach wie vor extrem hoch sind. In Wien waren Wohnungs- und Büromieten sehr niedrig, daher wurden hier oft Hotels realisiert. Zwar sind die Wohnungs- und Büromieten zwischenzeitlich gestiegen, vom Münchener Niveau sind sie aber noch weit entfernt.

Welche künftigen Entwicklungen zeichnen sich ab?

Mascha: Es werden noch einige Boutiquehotels auf den Markt kommen. Zudem gibt es, dank des hohen Anteils an alten, nicht gebrandeten Hotels, für internationale Hotelketten viel Potenzial – in fast allen Segmenten. Aber vor allem im Budget- und Focused-Service- Bereich mit Produkten wie Hampton by Hilton oder Holiday Inn Express.

Widmann: Die Zukunft liegt zwischen Motel One und 25hours: Produkte mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis, gepaart mit Pepp. Am unteren Ende sitzt hier Motel One: qualitativ hochwertig, aber schlicht im Zimmerkonzept, Layout und den Serviceleistungen. Am oberen Ende sitzt 25hours, das auf jungen Trend und stark auf Gastronomie setzt. Ein Produkt dazwischen ist Ruby, die gerade ihr erstes Haus in Wien eröffnet haben. Hier treffen hochwertige Einrichtung und Individualität auf schlanke Service und Verwaltungskonzepte. An solchen Produkten herrscht europaweit, außer in Hamburg und Berlin, noch ein Unterangebot.

Ein Überangebot dürfte es in Wien hingegen mittlerweile im 5-Sterne-Segment  geben. Immerhin sind in letzter Zeit einige Hotels in dieser Kategorie entstanden.

Widmann: Da widerspreche ich. Natürlich haben – betrachtet man es isoliert – in der letzten Zeit drei oder vier 5-Sterne- Hotels eröffnet; dafür sind in den letzten 15 Jahren aber auch nur drei oder vier entstanden. Ich würde weder Le Méridien als 5-Sterne-Luxus-Produkt bezeichnen noch das Sofitel Vienna Stephansdom. Wir haben Ritz Carlton, Palais Hansen Kempinski, Sans Souci, das kleine Palais Coburg, ganz neu das Park Hyatt. Zähle ich alle zusammen, komme ich auf rund 500 Zimmer – so viel wie ein Motel One.

Dann bietet dieses Segment noch Kapazitäten?

Widmann: Das wollte ich damit nicht sagen. Wien braucht keine weiteren 5-Sterne-Häuser. Es kommen vielleicht noch ein, zwei dazu, aber das reicht auf absehbare Zeit.

Mascha: Für das ein oder andere Produkt wäre noch Raum. Vor allem, wenn es andere Märkte erschließt. Die Luxusmarken, die wir in Wien haben, sind meist US Marken. Leider scheiterte das Shangri La-Projekt vor ein paar Jahren, denn solche Marken würden neue Märkte erschließen. Etwa aus der Golfregion oder Asien. Auch Marken aus dem Lifestyle- Segment wie „W“ hätten noch Platz, aber leider nicht physikalisch. So ein Projekt müssten Sie in Toplage, also im ersten Bezirk realisieren.

Und da gibt es keinen Platz mehr?

Mascha: Baulücken gibt es gar keine, die einzige Möglichkeit wären Umbauten. Aber derzeit sind im ersten Bezirk die allermeisten Gebäude genutzt.

Widmann: Wien ist eigentlich überhaupt nicht die ideale Stadt für 5 Sterne – auch im ersten Bezirk nicht. Wir erreichen das  Preisniveau von Paris, Genf, London und München einfach nicht. Spitzenreiter in Sachen Netto-Zimmerpreis sind bislang das Hotel Sacher oder das Imperial, da sprechen wir von über 300 Euro. Dabei müssten die Preise bei 600 bis 700 Euro liegen. Das müsste ein Park Hyatt Vienna erzielen, damit es wirtschaftlich funktioniert. Tatsächlich wird Hyatt auf rund 350 Euro kommen und das ist ein Spitzenwert für Wien. Die Schallmauer von 400 Euro wird auf absehbare Zeit kein Hotel deutlich durchbrechen.

Mehr wirtschaftlichen Erfolg versprechen also Lifestyle- und Focused-Service- Produkte. Welche Lagen bieten sich an?

Mascha: Gute B-Lagen. Im Grunde die Bezirke 2 bis 9, hinter dem Donaukanal, entlang vom Ring. Hier ist Raum für verschiedene Hoteltypen: von Hostels bis hin zu privaten Ideen für Boutique- Hotels. An den Ausläufern dieser Bezirke sitzen die Locations für Focused-Service-Produkte.

Welche Gebiete sind noch interessant?

Mascha: Das interessanteste derzeit ist der neue Hauptbahnhof. Da entstehen zahlreiche Kettenhotels, auch im Segment Focused Service. Im Grunde werden dort alle großen Marken vertreten sein.

Widmann: Nicht nur die großen Marken, sondern auch neue Produkte wie Schani. Insgesamt entstehen am Hauptbahnhof nach unserem Kenntnisstand in den nächsten Jahren sicher zwischen 3.000 und 4.000 Zimmer – ein gewisses Überangebot ist also nicht zu leugnen.

Mascha: Ja, der Standort ist damit dicht besiedelt, aber der neue Hauptbahnhof wird auch ein gigantischer Verkehrsknoten.

Widmann: Weitere interessante Entwicklungsgebiete liegen übrigens rund um den Donaukanal und um die Messe. Letzteres war früher ein unsägliches Viertel, hat sich aber stark gewandelt. Die Messe ist renoviert und erweitert und mit der Wirtschaftsuniversität hat einer der größten Universitätsneubauten im deutschsprachigen Raum in den letzten zehn Jahren eröffnet. Da wurden bereits Projekte wie Motel One oder das Studentenwohnheim Milestone eröffnet, aber da geht noch was. Serviced Apartments könnte ich mir hier auch gut vorstellen.

Artikel von Sandra Hoffmann (Hotelbau.de)

Kommentar verfassen

Nach oben scrollen