Die Welt wird in diesen Tagen von einer Krise heimgesucht, die sie nicht erwartet hat und auf die sie auch nicht vorbereitet war. Das Corona Virus geht um, bringt Gesundheitssysteme an seine Grenzen und legt ganze Volkswirtschaften de facto lahm. Zu trauriger Berühmtheit in diesem Zusammenhang gelangte Italien, was eine Brüsseler Zeitung zu der Überschrift vom „Tod in Venedig“ veranlasste.
Tourismus als Brennspiegel der Krise
So tragisch und folgenschwer die medizinische, soziale und menschliche Dimension des Dramas auch ist, so drängen sich doch sehr bald die wirtschaftlichen Implikationen in den Vordergrund. Hier wiederum wird der Tourismus quasi zum Brennspiegel der Krise. Kaum eine Branche ist von den aktuellen Restriktionen, die sich die entwickelte Welt im Kampf gegen das Virus auferlegt hat, schwerer betroffen. Dazu zunächst ein paar Zahlen.
Nach der UN Weltorganisation für Tourismus oder WTO (die tragischerweise ihren Sitz in Madrid hat) generiert die Branche rund 10% der weltweiten Wirtschaftsleistung und damit auch der Arbeitsplätze. Im Vorjahr sind die internationalen Ankünfte um 4% auf 1,5 Milliarden gestiegen. Noch Anfang März hatte die WTO von einem Rückgang im Tourismus von 1-3% als Folge der Coronakrise gesprochen, aber zuletzt war man gezwungen, die Prognose um den Faktor zehn zu erhöhen. Jetzt ist von einem Einbruch zwischen 20 und 30% die Rede, was der Branche heuer bis zu 450 Mrd. Dollar oder ein Drittel ihrer Einnahmen kosten könnte. Dass diese Prognosen angesichts der sich überstürzenden Ereignisse mit einem hohen Unsicherheitsgrad behaftet sind, versteht sich von selbst.
Bisher rasche Erholung nach Krisen & Pandemien
Nun ist es sicher richtig, dass es auch schon in der Vergangenheit Krisen und selbst Pandemien gegeben hat. Die internationalen Ankünfte gingen 2009, als Folge der Finanzkrise, um 4% in die Knie, noch geringer waren paradoxerweise die Auswirkungen der SARS Epidemie 2003, als die Ankünfte nur um 0,4% rückläufig waren (alle Zahlen WTO). Heute ist der Gegner aber ein anderer, das wird allein schon angesichts der Tatsache deutlich, dass sich aktuell über 3 Milliarden Menschen unter Ausgangsbeschränkungen befinden.
Auswirkungen der Krise
Wie könnten nun die Auswirkungen der Krise auf den weltweiten Tourismus aussehen? Dazu muss man zuerst wohl zwischen Freizeit- und Geschäftstourismus unterscheiden. Letzterer firmiert auch unter dem Akronym „MICE“ (für meetings, incentives and conferences) und wird sich nach Erwartung vieler Experten nicht so schnell erholen. Viele Firmen setzen jetzt auf Home Office und Tele-Konferenzen, wenn diese Praktiken erst einmal etabliert sind, werden sie sich wohl durchaus verfestigen, zumal sie ja auch Kosten sparen. Dieser Faktor wird im Nachgang der Krise zur conditio sine qua non, da muss man kein Prophet sein. Anders sieht es mit Urlaubsreisen aus, hier gibt es mehr Hoffnung auf eine vollständige Erholung, auch wenn diese eventuell länger auf sich warten lassen wird, als der Tourismus-Branche jetzt lieb ist. Von vergangenen, leidvollen Erfahrungen (z. B. mit Terroranschlägen) weiß man, dass es im Schnitt 12 Monate dauert, bis ein touristisches Ziel von den Reisenden wieder voll „angenommen“ wird. Ob im Fall der Corona-Krise ähnliche Zeiträume wirken werden, oder ob der Freizeit-Tourismus diesmal doch länger brauchen wird, das ist noch die große Frage. Viele Analysten sehen übrigens im Konsumverhalten NACH Abklingen der Pandemie einen entscheidenden Faktor für die wirtschaftliche Erholung in den westlichen Industrieländern. Wie nachhaltig sitzt uns allen der Corona-Schock in den Knochen, wann gehen wir wieder aus und fahren wieder auf Urlaub, selbst wenn wir es dürfen?
USA – das neue Epizentrum der Krise?
Zum Abschluss noch ein Blick in die USA, die zuletzt zum neuen Epizentrum der Krise wurden. Dort leiden Tourismus-Aktien schwer unter dem Virus: seit Jahresbeginn hat sich etwa das Papier der Hotelkette Marriott halbiert (alles Stand 30.3.), noch stärker sind Casino-Betreiber wie Wynn Resorts (- 57 %) oder Kreuzfahrtgesellschaften wie Royal Caribbean (- 70 %) unter die Räder gekommen. Zu zögerlich hätten die USA, und insbesondere Präsident Trump selbst, auf die Bedrohung reagiert. Dabei hat ein Beobachter auf eine bemerkenswerte Tatsache hingewiesen: man sollte doch meinen, dass Trump der Tourismus mehr am Herzen liegt, schließlich ist das die Branche, aus der er ursprünglich kommt.