Polarisierung auf dem Wiener Hotelmarkt

Hoteliers sehen das Ende der Fahnenstange schon längst erreicht und beklagen, dass neu eröffnete Häuser sich über Preisdumping den Markteinstieg erleichtern.

Braucht Wien noch mehr Betten oder ist ein Ende des derzeitigen Entwicklungsbooms in Sicht? Die Ansichten darüber gehen auseinander. Hoteliers sehen das Ende der Fahnenstange schon längst erreicht und beklagen, dass neu eröffnete Häuser sich über Preisdumping den Markteinstieg erleichtern.

Auf Hotelimmobilien spezialisierte Berater sehen in Wien aber durchaus noch Luft nach oben: „Die Frage, ob Wien noch mehr Hotels braucht, beantworte ich mit einem klaren Ja“, sagt etwa Martin Schaffer von MRP-Hotels: „Wien ist eine in Summe wachsende Stadt, in Bezug auf Arbeitsplätze, Wirtschaft und Tourismus. Alte Betten fallen weg, die muss man substituieren.“ Auf der Strecke bleiben würden jene Hotels, die seit Jahren nicht mehr investiert haben. „Hotels, in denen es im Badezimmer noch braune Fließen gibt und die noch nicht auf neue Vertriebsformen – Stichwort Online- Buchungsplattformen – umgestellt haben, werden es schwer haben.“ Besonders der Drei- und Viersternebereich hinke ziemlich hinterher.

Aber klassische Sternekategorisierungen sind vielleicht bald sowieso passé. Denn immer mehr Hotels, vor allem im Budget- und Lifestylebereich – ein Beispiel ist das 24 Hours in der Lerchenfelderstraße – entziehen sich diesem Bewertungsschema. Diese Art von Hotel verfügt über kleine Zimmer, bietet aber anspruchsvolles Design und investiert in Komfort, gute technische Ausstattung und höherwertige Betten. Außerdem werde die Sternebewertung, so Schaffer, durch Bewertungsplattformen wie Tripadvisor immer mehr durch die Kunden vorgenommen.

Kapitalstarke Ketten

Eine immer stärkere Polarisierung auf dem Wiener Hotelmarkt findet zwischen internationalen Hotelketten, die derzeit sowohl im Luxus- als auch im Budgetbereich massiv auf den Markt drängen (etwa Motel One, Ritz Carlton, Kempinski), und den Privathotels statt, die mit 74 Prozent zumindest mengenmäßig in Wien immer noch dominieren. Einen großen Wettbewerbsvorteil der Ketten sieht Lukas Hochedlinger von Christie + Co in der Kapitalstärke der Ketten: „Die können eine Krise leichter abfedern.“ Aus diesem Grund seien Ketten auch für Investoren besonders attraktiv. Die Tourismusdestination Wien werten internationale Ketten definitiv auf, da sind sich die Experten einig. Denn sie bringen ihre eigene Klientel nach Wien, Kunden aus Übersee, aus den USA oder Japan. Gerade für betuchte Kunden sei Wien durch das goldene Quartier und dessen Positionierung von Handel und Hotellerie im Premiumsegment attraktiv geworden.

Nachhaltigkeit und Crowdfunding

Obwohl die Immobilienpreise in Wien durch den Entwicklungsboom der letzten Jahre spürbar angezogen haben und es sich Investoren jetzt genauer überlegen, ob sich ein neues Projekt rentiert, kann man mit einem Hotel im Portfolio immer noch respektable Renditen erzielen. Dabei gilt die Faustregel: je budgetfreundlicher ein Hotel für die Gäste, desto höher die Rendite für den Investor. Im Midscale- Bereich könne man von Renditen zwischen sechs und acht Prozent ausgehen, so Hochedlinger. Für eine Investition in den Luxusbereich spreche wiederum, dass hier langfristig eine Wertsteigerung der Immobilie erzielt werden könne. Die niedrigeren Renditen aus dem operativen Geschäft können also durch einen gewinnbringenden Verkauf nach einigen Jahren wettgemacht werden. Auf der Suche nach Innovationen, die das eigene Haus von der Konkurrenz abhebt, setzen Wiener Privathotels zunehmend auf Nachhaltigkeit. Eine etablierte Größe in diesem Bereich ist das Boutiquehotel Stadthalle (siehe Interview).

Auch neue Projekte sind in der Pipeline: Auf dem Mariahilfergürtel soll das erste Biovollholzhotel gebaut werden. Es setzt auf Energiegewinnung durch Algen und ist das erste Hotelprojekt in Österreich, das sich mittels Crowdfunding finanzieren will. Auch das Viersternehotel Wilhelmshof im zweiten Bezirk setzt auf Nachhaltigkeit. Es verfügt mit 156 Quadratmetern über die größte Solaranlage der Stadt. Auch wenn ein grüner Tourismusboom noch ausgeblieben ist, bestätigen Berater, dass Investoren vermehrt auf Nachhaltigkeit achten. Als Alleinstellungsmerkmal sei das aber nicht genug. Denn ein grünes Energiekonzept werde immer mehr zum Standard.

Artikel von Eva Steindorfer (die Presse)

 

 

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