Über Jahre waren viele Branchenexperten der Meinung, dass OTAs – vor allem auf Non Branded Hotels – eine große Marktmacht ausüben und eine große Gefahr für die Hotelindustrie sind, indem hohe Kosten in Form von Kommissionen/Vermittlungsgebühren von den Hoteliers verlangt werden und den Wettbewerb behindern.
Booking.com verlor im März diesen Jahres von heute auf morgen weltweit über 85% seiner Buchungen. Als Resultat wurden, angeblich, 25% der Mitarbeiter gekündigt, bei der holländischen Regierung Staatshilfen beantragt. Der Börsenkurs beläuft sich derzeit (30.07.) auf 1.434,20 € und ist gegenüber vor Corona-Zeiten (25.02.2020) mit einem Wert von 1.665,00 € um ca. 14% gesunken. Anfang März war der größte Absturz der Aktie zu verzeichnen. Seitdem gewinnt die Aktie wieder an Wert. Trivago und Tripadvisor verlieren Tag für Tag Umsätze; woher sollen Einnahmen auch kommen, wenn Haupteinnahmequellen Expedia & Booking.com sind? AirBnB konzentriert sich laut Konzernangaben in absehbarer Zukunft wieder stärker auf seinen Hauptmarkt, den der Langzeitvermietung von privaten Wohnungen. Als Romantiker könnte man davon ausgehen, dass diese Entscheidung freiwillig erfolgt und eine neue Strategie sei – lediglich ist diese Verschiebung eine Schadensminimierung.
Deutsche Übernachtungsbetriebe gehen gegen die sogenannten Bestpreisklauseln der Buchungsportale vor, die über mehrere Jahre kartellrechtswidrig eingesetzt worden sind. Hoteliers fordern nun den entstandenen Schaden ergänzt um Zinsen zurück. Nach Rechnungen von welt.de am 20.04.2020 könnten es sich um Summen in dreistelliger Millionenhöhe handeln.
Darüber hinaus verlangt Booking.com von Hotels bereits seit Anfang der Krise kostenfreie Stornierungen für die Gäste. Booking.com will damit erzielen, dass die Gäste neu buchen, um nicht noch weitere Umsatzeinbrüche hervor zu rufen. Dies entspricht aber weder Booking Stornierungsbedingungen zwischen Betreiber und Booking noch gesetzlichen Regelungen, die erst eine komplette Rückzahlung der gebuchten Raten verlangen, wenn die Regierung eines Landes das Reisen verbietet. Hierbei greift die Plattform erneut in die Geschäftspolitik der Hotels ein.
Folglich einige Gedanken zur aktuellen Situation:
- Keine der oben erwähnten Unternehmen sind Hoteliers, keine Gastgeber, die in direktem Austausch mit Gästen stehen: Es sind Unternehmen, die getrieben sind von Profit- und Umsatzoptimierung, die Entwicklung des Börsenkurses zählt. Es besteht kein Auslastungsrisiko es besteht kein Kapitalrisiko für die Immobilie.
- Viele Hotels geben das Inventar freiwillig und zur Gänze an OTAs. Warum nicht den Supply reduzieren und selbst das Geld, das für Kommissionen ausgegeben wird, in eigene Marketingmaßnahmen stecken und langfristig mehr GOP erzielen?
- Zahlreiche Hoteliers werden OTAs mit großen Discounts überfluten. OTAs generieren dadurch nicht mehr Nachfrage (vor allem jetzt nicht) als die Hoteliers selbst. OTAs sind mit Abstand der teuerste Vertriebskanal – also warum soll man diesen auch noch subventionieren und die hohe Kommission bezahlen?
- „Deal“ Anbieter (Groupon, Secret Escapes, Travelzoo, etc.) werben derzeit sehr aggressiv; teils mit Aktionen für längere Reisedauern (8 Wochen und mehr), wenig Buchungsrestriktionen (Stornierbar usw.) usw. Diese Deal-Anbieter hatten ihre Daseinsberechtigung als Hotels vereinzelte, „übrig“ gebliebene Termine vergünstigt verkaufen mussten. In der aktuellen Situation agieren Deal-Anbieter wie OTAs und sind somit genau so wenig hilfreich.
Trotz aller negativen Aspekte und „Kostenpunkte“, die die OTAs insbesondere für die Individualhotellerie aufweisen, haben diese Plattformen ihre Daseinsberechtigung und sind für die Industrie wichtig. Allerdings ist die Kombination aus Hotelier und OTA keine Partnerschaft auf Augenhöhe. Vielmehr prägen schlechtere Deals und starke Forderungen den Austausch und bringen Hoteliers teilweise in eine unfaire, abhängige Situation. Es gilt, wieder ein „Geben und Nehmen“ zwischen beiden Parteien zu erreichen. Dafür müssen die Hoteliers deren Standpunkte wieder vertreten.