Sie haben in Ihrem Berufsleben viele Facetten der Branche erlebt. Welche Trends sehen Sie zurzeit?
Hürst: Die Tendenz geht einerseits zu Boutique- und Lifestyle-Hotels. Bei den Full-Service-Häusern gibt es in Europa eine Sättigung, und es wird immer schwieriger, die Rate zu steigern. Das führt zu enormem Druck, denn wenn die Preise nicht erhöht werden können, müssen die Kosten sinken. Also gehen Investoren neue Wege.
Wohin führen die?
Hürst: Viele Gäste möchten im Hotel ihren eigenen Lifestyle wiederfinden. Die Ketten haben sich darauf eingestellt, mit Marken wie Hyatt Andaz oder den Starwood W-Hotels. Ziel ist es, Lifestyle und lokales Flair zu verbinden, also in Kitzbühel die Alpen mit ins Hotelkonzept einzubauen. Der Kunde erwartet aber nicht Lokalkolorit der plumpen Art wie Kuhglocken und Hirschgeweihe. Im Hyatt Andaz in Amsterdam hat zum Beispiel der Designer Marcel Wanders die Geschichte der Stadt im Design des Hotels verpackt. Das mögen die Gäste.
Aber es gibt auch immer mehr Billiganbieter, die Service-Bausteine verkaufen oder bestimmte Leistungen anderen überlassen.
Hürst: Dieser sogenannte Focussed oder Selected Service ist ein weiterer stabiler Trend. Bestimmte Leistungen,
die man in einem Full Service Hotel findet, werden nicht angeboten. Das kauft der Kunde woanders. Er isst sowieso irgendwo in der Stadt, warum braucht das Hotel ein Restaurant? Ein Hotel ist kein Warenhaus, es muss nicht alles dort zu finden sein, vieles ist nur Kostenfaktor und funktioniert nicht richtig.
Wie lang ist die Halbwertszeit solcher Trends? Muss alle paar Jahre renoviert werden?
Hürst: Ein cleveres Konzept wird auch in zehn oder 15 Jahren noch funktionieren. Aber irgendwann muss man wieder was Neues bieten. Wenn die Ausstattung zu trendy ist, muss ich eine so hohe Rate damit erzielen, dass ich unter Umständen schon früher wieder von vorne beginnen kann. Gut und langlebiger ist zum Beispiel das Soho-House-Konzept in Berlin. Ein Loft mit klassischen Möbeln, die man immer wieder neu beziehen kann, aber nicht gleich ganz ersetzen muss.
Das klingt nach hohen Investitionen. Hat die Branche genügend Mittel?
Hürst: In vielen Bereichen gibt es einen enormen Investitionsstau. Nicht allzu viele alt eingesessene Hotels haben die Kraft, sich zu erneuern. Aber man muss mithalten, sonst fällt man raus. Die Branche steht mitten in einem gewaltigen Umbruch. Und es wird eine Marktbereinigung geben.
Wird diese Situation von staatlichen und kommunalen Eingriffen verschärft? Wie beeinflusst zum Beispiel die Berliner City Tax von 5 Prozent des Netto-Übernachtungspreises die Branche?
Hürst: Damit werden teilweise die Hoteliers bestraft. Der Staat überträgt das Steuereintreiben dem Hotelier und ein Teil geht auf seine Kosten. Das Risiko bleibt bei ihm hängen, weil am Jahresende der Nachweis in manchen Fällen schwierig ist, wer geschäftlich übernachtet hat und keine Steuern zahlen muss oder wer als Tourist da war und die Abgabe zu zahlen hat. Aber es wird ja überall dagegen gekämpft und geklagt.
Noch zu einem anderen Trend: Viele Jahre haben internationale Hotelketten ihre Immobilien verkauft, um nach dem Motto „Asset light“ mölichst wenig Kapital in Grundstüken zu binden. Nun scheint sich das Blatt zu wenden, Hotels kaufen wieder Immobilien. Woran liegt das?
Hürst: Das wüssten wir auch gerne. Vor drei Jahren wollte niemand Hotels kaufen, heute stehen Investoren Schlange. Das hat nach meiner Meinung mit den Finanzmärkten zu tun. Hotelimmobilien in Europa sind ein recht sicheres Investment. Sie sind wertbeständiger als viele andere Anlageformen.
Artikel von Rolf Westermann (ahgz.de)