Die Wiener Touristiker haben allen Grund, sich die Hände zu reiben. Die Nächtigungszahlen steigen Jahr für Jahr, von rund zwölf Millionen im Jahr 2012 auf knapp 15 Millionen im Vorjahr. Und die Experten rechnen damit, dass in den kommenden drei bis vier Jahren weitere drei Millionen hinzukommen. „Diese hohe Nachfrage kann nur über neue Produkte abgedeckt werden“, sagt Martin Schaffer, Managing Partner beim Hotelimmobilienspezialisten MRP Hotels mit Verweis auf die Tatsache, „dass die Auslastung vieler Hotels von April bis Dezember des Vorjahres bei gigantischen 80 Prozent und teilweise darüber gelegen ist.“
Neuer Blickfang am Wienerberg
Darauf vertrauen auch die Immofinanz und die Novum Hotel Group, die in den nächsten zwei Jahren am Wienerberg mit dem Holiday Inn Vienna-South eine neue Landmark errichten wollen. Für das Projekt, das nach seiner Fertigstellung im Frühjahr 2019 über 201 Zimmer verfügen soll, wird ein bestehendes, 1993 errichtetes Bürogebäude teilweise umgebaut. Über die Hotellobby im Erdgeschoß soll ein Zugang zum benachbarten Einkaufszentrum möglich sein. Die Zimmer werden auf den Etagen acht bis 21 realisiert, in den übrigen sechs Stockwerken werden moderne Büros eingerichtet. Im 22. Stock soll ein Panorama Frühstücks-restaurant eingerichtet werden, im Zentrum des Hotels eine Open Lobby, ein offen gestalteter Bereich zum Entspannen. Architekt Egon Türmer von Holzbauer & Partner spricht von einem „neuen Blickfang in der Hochhaus-Silhouette des Business Park Vienna“. Die Bestandsform mit ihren schrägen Fassadenflächen und Gliederungen werde zu einer eleganten eigenständigen digen Architektur weiterentwickelt. „Wir können damit unser Hotel-Portfolio am Hauptbahnhof und an der Messe um einen weiteren attraktiven Standort ergänzen“, sagt David Etmenan, Geschäftsführender Gesellschafter der Novum Group. Auch die Accor-Hotels-Gruppe ist mit zwei neuen Projekten auf dem Wiener Markt aktiv. Die Dachgleichenfeier des Dreisternehotels Ibis und des Viersternehauses Novotel mit insgesamt 577 Zimmern, beide im Quartier Belvedere Central (QBC) angesiedelt, fand im September des Vorjahres statt, die Fertigstellung ist für diesen Sommer geplant. Beide Immobilien wurden im Rahmen eines Forward-Share-Deals für rund 85 Millionen Euro vom Entwickler UBM an Amundi Real Estate verkauft. Diesen März wird am Flughafen Wien außerdem das Moxy Vienna mit 400 Zimmern Eröffnung feiern, bis 2019 darüber hinaus das Andaz Am Belvedere Vienna, ein 300-Zimmer-Haus, das in einem Joint Venture der Signa Holding und Hyatt Hotels Corporation errichtet wird, nahe dem Wiener Hauptbahnhof fertiggestellt werden. Schaffer sieht das Ende der Fahnenstange damit aber nicht erreicht: Vor allem im Low-Budget-Segment sieht er noch Potenzial für neue Häuser – insbesondere bei Marken, die es in Österreich beziehungsweise in Wien noch nicht gibt. Dazu zählt er unter anderen Super-8-Hotels, Premier Inn Hotels und B&B-Hotels. Die typischerweise großvolumigen Projekte dieser Ketten, die laut Schaffer von einer großen Zimmeranzahl leben, seien aufgrund der hohen Liegenschaftspreise in den Innenstädten schwierig zu realisieren, weshalb sie sich in der Regel eher an den Stadträndern an günstigen Verkehrsknotenpunkten ansiedeln.
Aparthotels im Wandel
Für Martina Maly-Gärtner, Managing Director Hotel & Tourism Consulting bei Michaeler & Partner, ist der Budgetbereich in Wien hingegen gut gesättigt. Das meiste Potenzial sieht sie derzeit bei Apart- und Boutiquehotels. „Aparthotels könnten künftig den Trend der mobilen Arbeitswelt abdecken, hier werden sich die Nutzungen Wohnen und Hotel immer mehr vermischen“, prognostiziert die Expertin. Eine Unterversorgung registriert sie zudem in einigen neuen Stadtentwicklungsgebieten wie beispielsweise am Nordbahnhof oder – im Windschatten des U-BahnAusbaus – im Süden Wiens. „Das genaue Gegenteil zeigt sich bei der Entwicklung des Hauptbahnhofareals, wo sich bis 2018 mehr als 2400 neue Hotelzimmerfinden werden.“ Am geringsten gewachsen ist in der neueren Vergangenheit das Wiener Luxussegment. Das jüngste Projekt, das Park Hyatt Vienna, wurde laut Maly-Gärtner vom Markt sehr gut absorbiert. „In ungefähr fünf Jahren kann der Wiener Hotelmarkt daher durchaus wieder ein Luxushotel vertragen“, sagt sie. Durch die Ansiedelungen von internationalen Luxusmarken habe man das Ratenniveau in der Wiener Luxushotellerie leicht steigern können. Im europäischen Vergleich hinke die Bundeshauptstadt in dieser Hinsicht aber noch deutlich hinter London, Paris, Mailand oder Rom hinterher.
Artikel von Patrick Baldia (diepresse.com)