Im Zuge der Corona-Krise und ausbleibenden Buchungen in Hotels leidet auch die Parahotellerie in den Städten. Aber hat dieser Einbruch vielleicht auch eine umgekehrte, positive Seite?
Teil dieser Parahotellerie ist das uns allbekannte best-performing Startup Airbnb. Der Ferienwohnungsanbieter, der selbst aus der Finanzkrise 2008 als neues Siegerunternehmen hervorgegangen ist, ist nun selbst von der Corona-Krise betroffen. Mit einem Umsatzeinbruch von fast 50% zwischen Mitte Februar und Mitte März diesen Jahres (Quelle: Spiegel), sanken die Umsätze in Deutschland von 31 auf 16 Millionen €. Doch nicht nur die Umsätze und damit auch die 20% Kommission, die pro Buchung an Airbnb selbst fließen, sondern auch die Anzahl an angebotenen Wohnungen sind innerhalb von vier Wochen um 10% in Deutschlands Hauptstadt Berlin gesunken. Während im Februar noch um die 25.200 Airbnbs online gelistet waren, konnten im März nur noch 22.552 gezählt werden. (Quelle: Taz)
Bisher galt das amerikanische Startup als eines der am meisten beachteten der Welt. Die letzte Airbnb Bewertung lag bei 35 Millionen US-Dollar. Der Börsengang war für 2020 geplant, ob dieser stattfindet oder nicht, ist aus heutiger Sicht offen. Zahlen aus dem österreichischen Wien zeigen das stetig steile Wachstum: Während im Juli 2015 noch 4.961 Angebote bei Airbnb in Wien gelistet waren, hat sich die Zahl bis Januar 2020 auf 13.157 erhöht. Im Februar waren es 13.162 und im März noch einmal um 62 mehr – insgesamt 13.224 Listings (Quelle: insideairbnb). Auch in Wien werden sich erste negative Auswirkungen sicherlich bald bemerkbar machen. Denn auch Airbnb hat aufgrund der aktuellen Situation und eingeschränkten Reise- bzw. sogar Ausgangssperren mit massiven Stornierungen zu kämpfen. Nach unterschiedlichen Aussagen von Analysten und Politikern ist in einem Zeitraum von mindestens drei bis sechs Monaten mit deutlichen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu rechnen; in manchen Szenarien sogar von zwölf bis achtzehn Monaten. Demzufolge fallen Freizeitreisende als wesentlicher Bestandteil von Aribnbs Zielgruppe langfristig aus. Hinzu kommen die ausbleibenden Businessreisenden. Somit ist zunächst davon auszugehen, dass der Airbnb Markt in eine Art “Frühjahrsschlaf” verfallen wird.
Demzufolge hat sich Airbnb bisher dazu entschieden, die Stornogebühren für Gäste, die vor dem 14.3.2020 für den Zeitraum von 14.3.2020 bis 14.4.2020 gebucht haben, vollständig zu erlassen, was zu erheblichem Missmut unter den Vermietern sorgte, dessen Einnahmen für diesen Zeitraum nun komplett entfallen.
Der Markt an Hosts teilt sich in private und gewerbliche Anbieter. Nicht jeder Host ist auch tatsächlich Eigentümer der Immobilie. Viele Airbnbs werden durch den Host vom tatsächlichen Eigentümer angemietet und dann über den Vermittlungsdienst an Gäste weitervermietet. Wenn Gäste ausbleiben, entfallen wichtige Einnahmen. Somit ergibt sich hier die Frage, ob in solch einem Fall für den Hauptmieter die Verpflichtung zur Bedienung der Kredite oder Mieten weiterhin besteht, wenn die Mieteinnahme durch Airbnb entfällt. An dieser Stelle macht sich aber die so häufig kritisierte “Grauzone” bemerkbar: In solch einem Fall, dass die Zahlung von Krediten ausgesetzt werden könnte, ist davonauszugehen, dass sowohl die Bank als auch die Hausgemeinschaft und / oder das Finanzamt davon in Kenntnis gesetzt ist, dass die entsprechende Wohnung über Airbnb vermarktet wird. Haben hier die Hosts nun einen Vorteil, die mit offenen Karten gespielt haben?
Die Stimmung bei Airbnb ist aber in jedem Fall längst nicht mehr so positiv, wie wir es von dem Startup gewohnt sind: Aufgrund der von dem Unternehmen ausbleibenden Stornogebühren empfinden einige der Vermieter einen „Vertrauensbruch“, sodass die Möglichkeit besteht, dass in Zukunft viele Airbnb-Hosts sich nach Alternativen umsehen und ihre Immobilie bald auf mehreren Websites gleichzeitig anbieten werden. Dies würde zu einer höheren Diversifikation auf mehrere Anbieter führen und sich langfristig nachteilig auf die Umsätze bei Airbnb auswirken. Wenn ein Gastgeber/Mieter die Wohnung auf den Vermietungsmarkt verlagert, wird der Home-Sharing-Anbieter (Airbnb und/oder andere) offensichtlich darunter leiden, sich allerdings der Wohnungsmarkt in zahlreichen Städten wieder leicht entspannen. In 2019 veröffentlichte Emperica, dass in 2018 rund 2.600 Wohnungen in Berlin als Wohneinheiten einzustufen waren, die der Hauptstadt wirklich Wohnraum entziehen. Dies entspricht 1,5% des zukünftigen Wohnungsneubaubedarfs. Ein “Wohnraumentzug” liegt dann vor, wenn eine Kurzzeitvermietung gegenüber einer Langzeitvermietung rentabler ist. Es ist ein geringer, aber immerhin nicht unerheblicher Anteil an Wohnungen, die der sogenannten “Zweckentfremdung” zugeordnet werden.
Grundsätzlich bevorzugen die Airbnb-Gastgeber kurzfristige Buchungen, da sich mit diesen wesentlich höheren Einnahmen generieren lassen. Wenn dieser Markt austrocknet, könnten Langzeit- oder Wohnungsmieten im Gegensatz zu ganz ausbleibender Vermietung wieder eine attraktive und realistische Option werden. Immerhin bieten Langzeitmieten eine zuverlässigere Einnahmequelle und beinhalten weniger Ausgaben, wie z.B. die Kosten für Zubehör wie Toilettenpapier und die Servicegebühr für Airbnb. Unter diesen Umständen besteht somit eine hohe Chance, dass Hosts ihre Immobilien über Langzeitvermietung wieder zurück in den Wohnungsmarkt bringen werden, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Es wird deutlich: Für den Wohnungsmarkt könnte die Corona-Krise von Airbnb ihre guten Seiten zeigen, die von vielen Städten mit Sicherheit positiv begrüßt werden würde. Der Zustrom des Angebots am Wohnungsmarkt in Verbindung mit der mangelnden Nachfrage (und den eingeschränkten Möglichkeiten) nach einem Umzug wird einen gewissen Druck auf die Mieten ausüben.
Gegebenenfalls kann diese Krise mehr Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt erreichen als so manche politischen Regulierungen – wie das Zweckentfremdungsverbot in Berlin. Die taz berichtet, dass in Dublin das Angebot an Wohnungsinseraten innerhalb des letzten Monats um 64% gestiegen ist – insbesondere war ein Anstieg an Apartments mit einem oder zwei Zimmern zu verzeichnen (Quelle: taz). Womöglich ist dieses so positiv klingende Phänomen aber nur von kurzer Dauer.
Dem Home-Sharing Host wird es nämlich ein Anliegen sein, für einen Zeitraum von nicht länger als sechs Monaten am Stück zu vermieten, um bei einer Beruhigung des Marktes wieder in die Kurzzeitvermietung einsteigen zu können. Ist dieses aber ein sinnvolles und mit ausreichend Nachfrage getriebenes Modell? Wie kann diese Variante funktionieren, wenn das Inventar der Wohnungen bestehen bleiben soll, der Langzeit-Mieter dieses aber nicht übernehmen will, weil er über eigene Einrichtung verfügt? Zunächst scheint also eine komplette Rückgabe auf den Wohnungsmarkt fragwürdig. Wenn der finanzielle Druck beim Host allerdings zu groß wird, die Kurzzeitgäste für zu lange Zeit ausbleiben, besteht eine realistische Chance, dass er auf alternative, langfristige Vermietungen auf dem Wohnungsmarkt zurückgreift.
Könnten sich daraus möglicherweise auch positive Auswirkungen für den Hotelmarkt ergeben? Wenn Airbnb Angebote zurückgehen, darüber hinaus Hotels bessere Konditionen mit Stornobedingungen etc. für den Gast bieten, die Raten sich zunächst einmal unter dem Normalniveau bewegen, könnten auch die Hotels von einem Rückgang der Airbnb Angebote profitieren.
Noch ist unklar, welche Auswirkungen die derzeit ausbleibenden Leisure und Business Gäste auf den Markt haben werden. Immerhin besteht die Hoffnung, dass die Corona-Krise zumindest in Teilen auch positive Veränderungen bzw. Impulse mit sich bringt. Wir werden die Entwicklungen weiterverfolgen und uns selbst ein Bild davon machen müssen, welche Annahmen sich bewahrheiten werden und wer möglicherweise als Sieger aus der derzeitigen Krise hervorgehen wird.